Die letzte Etappe war eine Tortur! Irgendwie war ich körperlich unfit. Ich habe dies schon sehr bald gemerkt, als ich in Bad Hersfeld gestartet bin. Normalerweise fahre ich auf der Ebene irgendetwas zwischen 22 und 25 km/h. Gestern war ich froh, wenn ich überhaupt 20 km/h erreicht habe. Das Wetter war aber auch nicht so toll. Es war den ganzen Tag bedeckt und unangenehm kalt. Alles in allem war es wahrscheinlich das Thema „Motivation“, das mir gestern einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Bei den beiden vorigen Etappen (und auch bei der Fahrt an den Bodensee) ging es nie um das Ankommen am Ziel, sondern darum so weit wie möglich darüber hinaus zu kommen. Gestern war nur das Ankommen in meinem Kopf. Es kommt mir vor, wie bei den Karatekämpfern, die ein Brett durchschlagen sollen: Wenn die nur drauf schlagen, kriegen sie das Brett nicht durch – man muss durchschlagen, bis unter das Brett. Tja, gestern war nur das Ankommen in meinem Kopf. Es gab keine mentale Reserve um über das Ziel hinaus zu fahren…
Aber ich bin angekommen. Und ich bin froh und sehr zufrieden. Nach der letzten Etappe mit 78km und mickrigen 300 Höhenmetern (ich habe mir jeden einzelnen bitter erkämpfen müssen) habe ich nun in der Summe 258 km in den drei Tagen auf dem Fahrrad zurückgelegt. Die Strecke von Bad Hersfeld nach Kassel hat mich zuerst etliche Kilometer an unschönen Stellen des Fuldatals entlang geführt. Irgendwie wurde deutlich, dass da „Zonenrandgebiet“ war. Als ich näher an Kassel herangekommen bin (in der Gegend um Melsungen) wurde das Tal und die Dörfer wieder schöner – so richtig genießen konnte ich es dennoch nicht. Auf den letzten 15km erkannte ich dann auch die Landschaft wieder (das hat mich gerettet).
In Kassel angekommen wurde ich zuerst mal von I.’s Eltern für verrückt erklärt. Die waren offensichtlich der Meinung, dass so eine Tour keinen Spaß machen kann. Die Mutter hat mir Schmerztabletten angeboten 🙂 – ich habe dankend abgelehnt. Nach drei Tassen Kaffee, zwei Stück Kuchen, vier Scheiben Fleisch, Kartoffeln und einer großen Schüssel Salat kehrten die Lebensgeister wieder zurück.
Heute ist da wieder die große Zufriedenheit, an die eigenen Grenzen gegangen zu sein, etwas geschafft zu haben, was man vorher noch nie gemacht hat. Ich freue mich schon auf die nächste Tour – mal schauen wohin es dann geht. Habe mir gestern vorsichtshalber mal den Kerkeling gekauft – vielleicht bin ich dann demnächst auch mal weg…
Stefan Ramone sagt:
Respekt und Glückwunsch zum Erreichen des Ziels! Ich finde das wirklich beeindruckend!
Enn sagt:
Insbesondere das einfach Loslegen finde ich beneidenswert.
Das.Beet sagt:
Danke für die Anerkennung!
Habe auf meiner Reise auch anderes Feedback erfahren. Der Wirt der Unterkunft nach meiner ersten Etappe hat mich gefragt, wo ich denn herkomme. Als ich ihm sagte, dass ich ca. 89km aus Würzburg hergefahren sei, meinte er: „Das geht ja noch…“ – bei ihm schneien alle naslang Rennradfahrer rein, die mit 180km auf dem Buckel daherkommen.